Groningen Erbebensichermachen erfordert mehr Kreativität und neue Konzepte
Auf dem Kongress Aardbevingbestendige gebouwen (Erdbebensichere Gebäude) des nicht staatlichen Forschungsinstituts KNAW (Königlich Niederländische Akademie der Wissenschaften) hielt Jeroen de Willigen am 20. März 2017 ein Plädoyer dafür, die Lösung der enormen Aufgabe, Groningen Erdbebensicher zu machen.mit mehr Kreativität und neuen Konzepten anzugehen.
“Die Erdbeben im Gasfördergebiet haben große Auswirkungen auf die Lebensqualität und die Zukunftsperspektive dieses wunderschönen, besonderen Teils der Niederlande. Natürlich fordern Bewohner und lokale Politiker als erstes, dass die Gebäudeschäden behoben und die Konstruktion der Gebäude verstärkt werden müssen, so als ob es dort keine Erdbeben gäbe, oder diese zumindest keinen Auswirkungen auf die Lebensqualität und Sicherheit hätten.
Bei der japanischen Kunstform Kintsugi wird zerbrochenes Porzellan mit einer Art Goldleim repariert. Indem die Bruchstellen so zusätzlich hervorgehoben werden, gewinnen die Geschirrteile an Schönheit und Exklusivität gegenüber ihren unbeschädigten Pendants.
Da aber bei der Lösung der Erdbebenproblematik keine Entwurfsspezialisten herangezogen wurden, haben die stabilisierenden Maßnahmen keinen funktionellen oder ästhetischen Mehrwert für die Gebäude hervorgebracht. Viele Architekten haben, getrieben von sozialem Verantwortungsgefühl und von dem Wunsch zur Lösung der Problematik beizutragen, Entwürfe gemacht und Konzepte skizziert, um aufzuzeigen, dass so viel mehr möglich ist. Bedauerlicher Weise ist es den Architekten nicht gelungen, überhaupt eine Rolle im Prozess der Schadensbehebung und des Erdbebensichermachens einzunehmen. Die Aufgabe scheint vollständig in Händen von Ingenieuren und Bauunternehmen zu liegen. Selbstverständlich sind die neuen Wohnungen sicher und darüber hinaus energieeffizient, diese gigantische Herausforderung sollte jedoch auch dafür genutzt werden, eine neue und innovative Architektursprache zu entwickeln. So kann man die Identität innerhalb des Erdbebengebiets stärken und die Tatsache, dass hier besondere Bedingungen eine Rolle spielen, nutzen, um sich von anderen Regionen abzuheben.
Mit dem Entwerfen von erdbebensicheren Gebäuden allein ist es jedoch nicht getan. Sicherlich, so können wir an einer neuen Identität bauen, aber noch nicht an einer neuen Zukunft. Denn die Region ist zusätzlich mit diversen anderen grundlegenden Problemstellungen konfrontiert: die Zukunft der Landwirtschaft, die demografische Entwicklung, die ökonomische Weiterentwicklung und nicht zuletzt der Umstieg auf erneuerbare Energien. Die gesamte Tatkraft und alle Geldmittel sollten in dem Erdbebengebiet dafür eingesetzt werden, der Region eine tragfähige Zukunftsperspektive zu ermöglichen. Diese Perspektive muss in ein Gesamtkonzept einfließen. Einem ehrgeizigen Konzept, das Hoffnung weckt und Optimismus ausstrahlt, auch ohne die Zukunft bereits genau vorhersagen zu können. Ein Konzept das alle Problemstellungen, mit denen sich die Region konfrontiert sieht, vereint. Ein Konzept, das Rückhalt genießt und für die notwendigen Mittel sorgt.”
Jeroen de Willigen (1968), Direktor und Partner von De Zwarte Hond sowie Stadtbaumeister von Groningen
